Dienstag, 10. Dezember 2013

Berlin und Beutekunst : Rattenlinie Bariloche


Ein mysteriöser Tod in einem Berliner Hotel, ein in der Nazizeit verschollenes Van Gogh-Gemälde und ein zwielichtiger, argentinischer Fotograf. Was anfangs noch nach einer lokalen Ermittlung aussieht, entwickelt sich für die Berliner Kommissarin Verena Mayer-Galotti schnell zu einer internationalen Affäre. Beutekunst in der Nazizeit – das ist das Thema unseres neu erschienen Kriminalromans „Rattenlinie Bariloche“ , den ich zusammen mit Doris Bewernitz und Annett Heibel geschrieben habe..




Leseprobe
 
Konrad war aufgeregt. Sein kostbares Bild hatte er, wie der Käufer ihm geraten hatte, in einem Snowboardkoffer verstaut. Das Personal am Flugschalter nahm das Sportgepäck ohne viel Aufhebens entgegen. 

Auf dem Flug versuchte Konrad seine Nervosität in Bier zu ertränken. Der Gedanke, dass sein millionenschweres Bild unversichert im Cargobereich mitflog, ließ seinen Adrenalinpegel beharrlich höher steigen. Zusätzlich wurde ihm, was den Handel mit diesem ominösen Anrufer betraf, immer mulmiger zumute. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, hörte er das Inhalieren des Zigarettenrauchs und das heisere Lachen des Mannes am Telefon. 

Nach 22 Stunden Flugzeit und zwei Zwischenlandungen in Buenos Aires und Paris kam er erschöpft in Toulouse an. Durch ein Fenster im Wartebereich beobachtete er angespannt, wie seine Snowboard-Verpackung verladen wurde.
In diesem Moment hätte er gern Röntgenaugen gehabt, um feststellen zu können, ob das Bild sich tatsächlich noch darin befand. Was, wenn es längst entfernt oder vertauscht war? 

Seine Angst steigerte sich, als er mit ansehen musste, wie der Koffer unsanft auf einen Rollcontainer geworfen wurde. Worauf hatte er sich nur eingelassen? Der Mann wusste über jeden seiner Schritte Bescheid, er dagegen wusste gar nichts von ihm! Horrorszenarien stiegen vor ihm auf: Ein leerer Snowboard-koffer … Ein Mann mit Knüppel, der ihn beim Verlassen des Flughafens zusammenschlägt. Seine Leiche im Straßengraben …  Nervös wandte er sich vom Fenster ab und versuchte, sich mit dem Gedanken an das Geld, das er bereits erhalten hatte, wieder zu beruhigen. Niemand würde doch eine Million an jemanden bezahlen, den er umbringen will. 
Eine Stunde später brachte ihn ein kleineres Flugzeug sicher nach Tarascon. 

Am dortigen Flughafen bekam er erstaunlich schnell sein Gepäck ausgehändigt. Sein Herz schlug bis zum Hals, als er es entgegennahm. Er widerstand der Versuchung, die Sportausrüstung sofort zu öffnen. Eilig verließ er das Flughafengebäude.
Auf dem Vorplatz stand ein Mann in Chauffeuruniform.
„Darf ich Sie bitten, mir zu folgen, Herr Bessi?“, fragte er höflich, als Konrad sich ihm näherte.
„Woher wissen Sie, dass ich Konrad Bessi bin?“, hätte dieser am liebsten zurück gefragt, unterließ es aber. Er nickte nur und stieg in den Bentley.

Der Chauffeur lenkte das Auto durch eine kleine, beschauliche Stadt. An den Häusern rankten Kletterrosen empor. Konrad war fasziniert von der Schönheit. Alles würde gut werden. Diese Gegend war ja völlig harmlos. Ein paar Cafés, ein alter Springbrunnen, ein Antiquitäten-laden zogen vorbei. Entspannt lehnte er sich in das weiche Lederpolster.
 Kurz nachdem sie das Städtchen verlassen hatten, bemerkte er ein Schloss auf einer Anhöhe, das sich wie eine gotische Trutzburg ausnahm. Sie fuhren direkt darauf zu. Hatte der Anrufer nicht von einem Schloss gesprochen?
„Fahren wir zu dem Schloss dort?“, fragte Konrad den Fahrer.
„Wir sind gleich da“, entgegnete dieser kurz.
War es der plötzlich so kalte Unterton in der Stimme des Chauffeurs, der ihm sofort wieder Angst einjagte? Konrad sah sich nervös um. Sie fuhren eine einsame Landstraße entlang. Rechts und links Felder und Wälder. Kein Mensch war zu sehen, kein Auto überholte sie oder kam ihnen entgegen. Er fühlte sich schrecklich allein gelassen.
„Wie heißt denn der Mann, der dort wohnt?“, fragte er, um sich zu beruhigen.
Doch der Chauffeur reagierte nicht mehr. 

Schnell näherte sich der Bentley dem Burgschloss mit den vier Türmen an den Ecken, die durch hohe Mauern verbunden waren. Im ersten Stockwerk sah man Schießscharten. Der Eingang war durch ein schweres Rolltor verschlossen, das sich jedoch sofort öffnete, als das Auto sich ihm näherte.  Sie hielten direkt vor dem Portal.
Mit weichen Knien folgte Konrad dem Chauffeur ins Haus. Dieser führte ihn in eine Bibliothek und verschwand augenblicklich. 
 
Bedrückt blieb Konrad zurück und stellte seine beiden Koffer ab. Der gewaltige, holzgetäfelte Raum strahlte Noblesse aus. Alle Wände waren mit dunklen Eichenregalen bedeckt, unterbrochen nur von der Tür und der Fensterfront. Die Regale reichten vom Fußboden bis zur Decke, und waren lückenlos mit alten Büchern gefüllt. Als Konrad sich einmal zur Hälfte um seine eigene Achse gedreht hatte, entdeckte er etwas, das ihm einen Schock versetz te.  

An einer Wand gab es eine großzügige Aussparung in einem der Regale.
Und dort waren sie: die anderen drei  Bilder Vincent Van Goghs, die im Titel den Namen Tarascon trugen. Nur sein Bild, der „Maler auf dem Weg nach Tarascon“ fehlte, um das Ambiente vollständig zu machen. 

Ungläubig ging Konrad auf die Bilder zu und versuchte zu begreifen, was das bedeuten mochte. Doch da öffnete sich die Tür und es erschien ein Mann. Er war ganz in weiß gekleidet, trug weiße Handschuhe und hatte eine chinesische Drachenmaske vor dem Gesicht. Der Mann kam auf ihn zu.
Er war hager, und an seinem steifen Gang sah man, dass er alt war. In der rechten Hand hielt er einen Spazierstock aus dunklem Holz, dessen oberes Ende ein Drachenkopf aus Elfenbein bildete.


Copyright: Doris Bewernitz, Julia Christ, Annett Heibel

Dienstag, 1. Mai 2012

Interview mit einem Glücksforscher

Macht Geld glücklich? Wie wichtig sind soziale Bindungen? In welchen Ländern sind die Menschen am zufriedensten? Welche Charaktereigenschaften sind ein Glücksgarant? Diesen und anderen Fragen gehe ich in dem Gespräch mit dem Schweizer Glückforscher Willibald Ruch nach.

Montag, 21. Februar 2011

Am Anfang war die Asana

Yoga: Die alte indische Heilslehre verbindet Körper, Geist und Seele.


Es gibt viele Arten, das Herz einer Frau zu gewinnen. So soll der britische Schauspieler Ralph Fiennes eine seiner Freundinnen mit einer akrobatischen Verführung von Nackt-Yoga überzeugt haben. Die Liebesbeziehung hielt nicht, wohl aber das Faible des Filmstars für die körperlichen Ertüchtigungen der traditionellen indischen Heilslehre.

Seit mehr als 2000 Jahren wird Yoga schon praktiziert. Zum regelrechten Boom kam es hierzulande aber erst in den vergangenen zehn Jahren. Mindestens drei Millionen Deutsche machen Yoga. Nach einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts TNS Infratest praktiziert sogar mittlerweile jeder fünfte Deutsche Techniken wie Yoga oder Meditation - dies entspricht schon dreizehn Millionen Bundesbürgern. Ein Bestandteil des Yoga sind bestimmte Körperübungen - so genannte Asanas. Hinzu kommen Atem-, Meditations- und Entspannungsmethoden. Durch die Verbindung dieser Komponenten wirkt die traditionelle Heilslehre auf verschiedenen Ebenen: Yoga verbindet Körper, Geist und Seele. Die Motive der meisten Yoga-Anfänger sind freilich unterschiedlicher Natur. 

„Etwa 50 Prozent meiner Schüler kommen zu mir wegen körperlicher Leiden“, sagt die Yoga-Lehrerin Alenka Pasche vom Verein Turngemeinde in Berlin (TiB). „Die andere Hälfte praktiziert Yoga, um Stress abzubauen.“ Studien zeigen, dass Yoga tatsächlich einen positiven Einfluss auf das vegetative Nervensystem hat und damit beim Abbau von Stress hilft. „Auch das Immunsystem wird verbessert“, sagt der Arzt und Leiter des Berliner Yoga Zentrums Martin Soder. Zudem lindert Yoga psychosomatische Beschwerden wie das Reizdarm-Syndrom oder Beschwerden der Wechseljahre. „Aber auch bei Kopf-, Rücken- und Gelenkbeschwerden helfen die Übungen, wenn sie angepasst gemacht werden“ , so der Experte Martin Soder.

Denn entgegen landläufiger Meinung kann man auch einiges falsch machen mit den Trendübungen aus dem fernen Indien. „Intensive Vorbeugen sind bei Rückenschmerzen kontraindiziert“, warnt der Mediziner Martin Soder. Und wer Bluthochdruck oder Migräne habe, solle keine Umkehrhaltungen wie die Kerze oder den Kopfstand praktizieren. Generell gibt der Mediziner den Tipp, dass man beim Yoga gut in sich hineinhören solle. Übungen, die schmerzhaft seien oder bei denen man sich nicht wohl fühle, solle man meiden. „Natürlich darf es auch einmal anstrengend oder unbequem sein, Schmerzen aber sollte man keine haben.“ 

Yogalehrerin Alenka Pasche rät allen Anfängern, die über 30 Jahre alt sind und länger als zwei Jahre keinen Sport gemacht haben, zuvor zu einem Gesundheitscheck beim Arzt. Auch solle man nicht gleich nach der ersten misslungenen Yogastunde aufgeben, sondern lieber verschiedene Richtungen und Lehrer ausprobieren, um den Yogastil zu finden, der zu einem passt. „Außerdem ist es wichtig, seinen Gegenpart zu finden: Couch-Potatoes sollten eher Power- statt Entspannungsyoga praktizieren“, so die Berlinerin. „Diejenigen aber, die immer mit den Fingern in der Steckdose stecken, sollten ihren Schwerpunkt beim Yoga mehr auf Entspannung legen.“ Eine Altersbegrenzung sieht die Yogalehrerin nicht. Ihr ältester Schüler ist 85 Jahre alt, mit ihm macht sie Übungen auf einem Stuhl.

Foto: Judith

Samstag, 29. Januar 2011

"Männer leiden oft mehr"


Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling. So heißt es in einem alten Schlager. Doch diese Erkenntnis hilft den Betroffen meist nicht weiter. Sie leiden wie ein Tier. 

Warum ist Liebeskummer oft so schmerzhaft? Nach einer Studie einer Forschergruppe um Naomi Eisenberger ähneln die neuronalen Muster im Gehirn bei sozialer Zurückweisung der von körperlichen Schmerzen, wie sie etwa bei Verletzungen auftreten. 

Das bestätigt auch der Berliner Psychotherapeut Werner Puschmann. Die Region, die bei Liebeskummer im Gehirn aktiviert werde, liege in der Nähe des Schmerzzentrums. Deshalb wird Liebeskummer ähnlich wie Schmerz wahrgenommen.

Was aber tun bei akutem Liebeskummer? Ich sprach mit Silvia Fauck über das Thema. Die Therapeutin arbeitet seit 2003 als Liebeskummer-Coach und führt eine Liebeskummer-Praxis in Berlin. Ich sprach mit ihr über die körperlichen Folgen von Liebeskummer und warum Männer anders leiden als Frauen, wenn ihnen das Herz gebrochen wird.



Wird der Liebeskummer mit jeden Mal, den ich ihn erlebe, leichter erträglich?

Das glaube ich nicht. Es trifft einen jedes Mal anders. Wenn man keinen Liebeskummer in seinem Leben mehr haben will, darf man sich nicht mehr verlieben.


Kommt man schneller über Liebeskummer hinweg, wenn man schnell eine neue Bindung eingeht?

Nein, dass ist nur kurzfristig. Die Trauer holt einen wieder ein, wenn man noch mittendrin ist. Es wäre es Betrug am neuen Partner, denn man ist gar nicht wirklich offen für den Anderen. Es wird einem lediglich die Seele und das Selbstwertgefühl gestreichelt. Besser ist es, Zeit mit sich selbst zu verbringen und dann durchzustarten.


Hilft denn Sex?

Männer können sich mit Sex eher trösten. Die ersten Male nach einer Trennung wirken bei Männern wie pure Medizin, der Sex baut das Selbstwertgefühl auf. Bei Frauen weniger. Entweder wollen sie keinen reinen Sex oder sie bereuen ihn hinterher..


Die meisten Ihrer Klienten sind Männer, etwa 70 Prozent. Warum?

Männer haben keinen zum Quatschen, bei Liebeskummer reden die Jungs nicht einmal mit dem besten Freund darüber. Sie gehen mit ihren Freunden zum Sport und unterhalten sich über alles Mögliche, aber nicht darüber, dass ihre Freundin sie gerade verlassen hat. Das sehen sie als Schwäche an.


Leiden Männer anders?

Männer leiden oftmals mehr, sie wollen von dem Gefühl der Sehnsucht schnell befreit sein. Ich bekomme von männlichen Patienten oft zu hören: „Machen Sie, dass es ganz schnell weggeht.“


Liebeskummer führt auch zu körperlichen Leiden. Welche äußern sie sich bei Männern?

Männer haben oft Rückenschmerzen, Magenprobleme, werden depressiv oder erleiden im schlimmsten Fall einen Hinterwandinfarkt.


Und bei Frauen?

Frauen leiden oft unter Migräne. Möglich sind auch Essstörungen, Blasenreizungen, Magen-Darm-Störungen oder Reaktionen über die Haut. Es gibt keine Krankheit, die nicht durch Liebeskummer ausgelöst werden kann.


Wann weiß ich, dass ich meinen Liebeskummer so gut wie überstanden habe?

Wenn Sie wieder frei lachen können. Wichtig ist auch, sich klar zu machen, dass man nicht gestört oder verrückt ist, wenn man Liebeskummer hat und so fest in der Trauer steckt. Eine Beratung kann da Wunder bewirken und einiges auflösen. Es kann jeden Menschen jedes Alters treffen. Mein ältester Klient war 74 Jahre alt. 
  

Vorspann und Interview:© Julia Christ

Dienstag, 25. Januar 2011

Glück kann man lernen


 Bin ich wirklich glücklich? Was macht das Leben lebenswert? Das ist die Fragen, die sich viele Menschen stellen. Psychologen wie Neurowissenschaftler und Soziologen gehen diesem Phänomen nach – spätestens seit der US-amerikanische Psychologe Martin Seligmann Mitte der 90er Jahre die Positive Psychologie begründet hat.

Wachstum, Glück und  Kreativität gehören zum Leben dazu

Die Psychologie hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg hauptsächlich mit den negativen Aspekten des menschlichen Daseins beschäftigt – wie etwa Depressionen, Ängsten oder dem Burn-out-Syndrom. „Vernachlässigt wurde, dass auch positive Aspekte wie Wachstum, Glück oder Kreativität zum Leben des Menschen gehören und damit wissenschaftlich berücksichtigt werden müssen“, sagt der Schweizer Psychologe Willibald Ruch von der Universität Zürich. So sind Vertreter der Positiven Psychologie davon überzeugt, dass die Förderung von menschlichen Stärken wichtige Puffer gegen psychische Krankheiten sein können. 
 
Die Lebenszufriedenheit verbessern sie allemal. „Studien haben gezeigt, dass je mehr ein Menschen Charakterstärken wie etwa Bindungsfähigkeit, Dankbarkeit, Neugier, Freundlichkeit oder Enthusiasmus ausbildet, desto größer wird seine Lebenszufriedenheit“, sagt Experte Ruch. 
 
Eine weitere Glücksressource ist der Humor. Auch diese ist trainierbar wie ein Muskel. „Es hat sich gezeigt, dass diejenigen, die sowohl die Theorie als auch die Praxis unseres Humortrainings mitgemacht haben, noch drei Monate danach über mehr Humor und Lebensfreude verfügten als vor dem Programm“, sagt der Forscher. Für Ruch gibt es drei Hauptfaktoren, die einen Menschen zu mehr Lebenszufriedenheit verhelfen. Da sind zum einen Genuss und Lebensfreude, zum anderen die Umsetzung des eigenen Potenzials und an dritter Stelle steht ein Sinn erfülltes Leben. „Letzteres kann ich erreichen, indem ich mich für höhere Ideen, Organisationen oder andere Menschen einsetze“, erläutert der Psychologe. In internationalen Studien hat sich gezeigt, dass sich Menschen am glücklichsten fühlen, wenn sie ihr Leben nach allen drei Faktoren ausrichten können.

Und das dicke Bankkonto? Geld macht langfristig nicht glücklich, außer man lebt in materieller Armut. Vergleicht man verschiedene Untersuchungen unter diesem Aspekt, kommen alle Studien zu demselben Ergebnis. „Im Mangelbereich spielen materielle Güter eine Rolle für das Glücksempfinden. Dann zum Beispiel, wenn ich nicht weiß, ob ich am anderen Tag etwas zu essen habe. In dem Fall macht Geld tatsächlich glücklich“, so der Glücksforscher. „Wenn ich mir aber um meine Grundversorgung keine Sorgen mehr machen muss, ist es für mein Glücksgefühl nicht so wichtig, ob ich einen oder fünf Kühlschränke habe.“

Text: Julia Christ 

Positive Psychotherapie

Die Positive Psychotherapie arbeitet mit den Stärken des Menschen. Diese Methoden hat zum Ziel, die Fähigkeiten der Menschen zu entfalten. Begründet wurde die Positive Psychotherapie 1968 von dem Wiesbadener Psychotherapeuten und Neurologen Prof. Dr. med. Nossrat Peseschkian. Wir fragten den Mediziner, Buchautoren und Träger des Bundesverdienstkreuzes, wie sich diese Therapieform von anderen unterscheidet und wie sie zu mehr Lebensglück beitragen kann.

Wozu brauchen wir die Positive Psychotherapie? Es gibt doch schon so viele psychotherapeutische Schulen.
Die Positive Psychotherapie verfolgt einen ganzheitlichen und einen Kultur übergreifenden Ansatz. Während viele psychotherapeutische Schulen oft gegeneinander kämpfen, ist bei der Positiven Psychotherapie eine Zusammenarbeit der verschiedenen Schulen möglich. Es geht nicht einseitig um die Krankheiten und die Störungen, sondern auch um die Fähigkeiten, Möglichkeiten, Chancen und Werte eines Patienten. Das Wort „positiv“ wird oft missverstanden, es heißt nicht, etwas durch die rosarote Brille zusehen. Vielmehr leitet es sich vom lateinischen „positum“ ab, also das Ganze zu sehen. Das, was der Mensch an Störungen hat, sind Regressionen, das sind Stolpersteine. In der Positiven Psychotherapie arbeiten wir nicht nur mit den Stolpersteinen, sondern auch mit den Progressionen eines Patienten, mit seinen Edelsteinen.


Was ist denn das Positive an einer Krankheit?
Jedes Krankheitsbild hat neben Schmerz, Trauer, Leid, Schmerzen auch einen Sinn, eine Funktion, positive Aspekte. Das Positive einer Depression zum Beispiel ist, mit tiefster Emotionalität auf Konflikte zu reagieren. Das gibt Hoffnung. Jede dunkle Nacht hat ein helles Ende.

Wie muss man sich eine solche therapeutische Sitzung konkret vorstellen? 
 
In der Positiven Psychotherapie lernen die Patienten in fünf Stufen sich selbst zu helfen. In den Sitzungen erzählen wir den Patienten Geschichten, Parabeln und Lebensweisheiten. Dazu schreibt der Patient als Hausaufgabe einen eigenen Text, eine eigene Sichtweise. Dadurch öffnet sich das Tor zur Phantasie, zur rechten Gehirnhälfte. Die Patienten kommen in Kontakt mit ihrer Energie und mit ihren Ressourcen.

Und das funktioniert bei Schlafstörungen ebenso wie bei Depressionen?
Ja, diese Therapie kann bei 100 Krankheiten angewendet werden. Dazu zählen Asthma oder Rheuma, aber auch Angststörungen, Magersucht oder Depressionen. Qualitätsstudien konnten den Erfolg dieses Modells nachweisen. In der Regel brauchen die Patienten nicht mehr als 15 bis 20 Sitzungen dieser Kurzzeittherapie.

Gelangen Ihre Patienten auch zu mehr Glück und Lebenszufriedenheit?
Ja, Störungen und Krankheiten sind oft auf eine Einseitigkeit im Leben zurückzuführen. Es gibt aber vier Hauptqualitäten des Lebens: 1. der Körper mit seinen Sinnen, 2. Leistung (Berufsleben), 3. das Sozialleben (Kontakt), sowie 4. die Phantasie, die Zukunftsplanung und die Frage nach dem Sinn des Lebens. Das Ziel unserer Therapie ist es, die Energien in alle diese vier Lebensqualitäten zu investieren. Durch die Balance dieser Bereiche wird der Mensch glücklicher, nach dem orientalischen Spruch: Das Glück kann man nur festhalten, wenn man es weitergibt.

Das Interview führte  Julia Christ .

Freitag, 12. November 2010

Wortwelten

 Von Julia Christ 




 Neulich habe ich die deutschen Lieblingswörter des amerikanischen Schriftsteller Joey Goebels vorgestellt. Das hat mich auf die Idee gebracht, eine eigene Lieblingsliste zu erstellen. Gesagt, getan. Hier ist die Liste meiner zehn gegenwärtigen Lieblingswörter.


1) Abrakadabra

Dieses Wort ist nicht nur eine Zauberformel, sondern klingt auch schon so. Beschwörend.



2) Alliteration

Schon lautmalerisch lässt sich einiges an Wortbedeutung erahnen.
Die Alliteration kommt aus dem Lateinischen (ad = zu, littera=Buchstabe) und ist eine beliebte literarische Stilfigur. Man spricht von einer Alliteration, wenn die betonten Stammsilben zweier oder mehrerer benachbarter Wörter den gleichen Anfangslaut besitzen. Luther bediente sich dieses rhetorischen Mittels ebenso wie Boulevardjournalisten ("Klinsi killt King Kahn") oder auch die alten Römer ("veni, vidi, vici") und Griechen .

Das Wort Alliteration zergeht auf der Zunge. Es klingt, als sei es Botschafter und Bodyguard in einer Person. Als sei das Land oder die Person, der es vertritt, niemand Geringeres als die Literatur selbst.

Die Alliteration ist eine geschmeidige Verführerin mit viel Esprit. Deshalb gebiert sie oft drollige Wörter:  Wirrwarr, Mischmasch und  Zickzack, das französische micmac, die amerikanische Kinderbuchfigur Bitsy Big Boy Boomeroo oder die Comic-Drillinge Tick, Trick und Track.


3) Augenblick

Ich frage mich immer wieder, was eine kürzere Verweildauer hat: der Augenblick oder der Moment.
Die Dauer eines Augenblickes aber ist vorstellbar, absehbar, abschätzbar. Man weiß, wie lange man in die Gegend blickt, ohne mit den Lidern zu zucken. Die Länge eines Momentes dagegen ist  viel weniger berechenbar. Außerdem ist der Augenblick das poetischere Wort von beiden.




4) Desenrascanço  
 
Es heisst, nur die Deuschen hätten unaussprechliche Wortungetüme. Ellenlange Wörter, bestehend aus zwölf, 14 oder 16 Buchstaben. Von wegen! Auch das portugiesische Desenrascanço ist ein Zungenbrecher, den man nur silbenweise nachsprechen kann. Angeblich gibt es keine gelungene Übersetzung für diesen Begriff. Es bedeutet so etwas wie "sich durchwurschteln" oder "improvisieren". Angeblich wird die bedeutende Rolle der portugiesischen Seefahrt im 16. Jahrhundert auch auf das Desenrascanço zurückgeführt, nämlich auf die Fähigkeit, Schiffsreparaturen auch ohne entsprechendes Handwerkszeug durchführen zu können. Aus der Not eine Tugend machen - vielleicht könnte man es auch so übersetzen. Ein einziges Wort bringt diese sinnvolle Fähigkeit auf den Punkt.


5) Elegie

Was für eine Eleganz doch in diesem, ursprünglich griechischen Wort steckt. Mit welcher Anmut die Zunge den Gaumen berührt, wenn es um ein Klagelied geht.  Ein sehr musikalisches Wort. Ursprüglich wurden eine Elegie auch mit Flötenmusik begleitet. Bonjour belle tristesse.

6) Kleinod

Was für ein unaufdringliches Wort für ein Schmuckstück oder eine Kostbarkeit. Kleinod ist laut Wikipedia ein veraltetes Wort, welches nur noch im übertragenenen Sinn verwendet wird. Ich finde es sehr nostalgisch.



7) L'heure bleue 
 
Die blaue Stunde ist im Sommer am schönsten, der Horizont ist überzogen von einem ganz besonderen Blauton. Es ist die  Stunde, in der die Nacht ist noch nicht ganz vorbei ist, der  Morgen aber bereits angebrochen ist.  Im Deutschen spricht man selten von der blauen Stunde, statt dessen ist eher die Rede vom Morgengrauen. Wie trist, wie trübe. Tatsächlich rührt der Begriff Morgengrauen von der grausigen Erfahrung her, dass Städte oft im dann von den Soldaten angegriffen wurden, wenn die Bewohner noch schliefen, also im Morgengrauen gegen zirka drei Uhr.  Aus der Ferne sah man den Staub der herbeigaloppierenden Pferde. Der war staubgrau.

8) Oxymoron 
Diese rhethorische Figur klingt sehr geheimnisvoll. Sie beschreibt eine Art Paradox. Es ist eine  Formulierung aus zwei gegensätzlichen, einander (scheinbar)  widersprechenden Begriffen. Man denke nur an die Sachliche Romanze von Erich Kästner oder die schwarze Milch von Paul Celan. 

9) Umami 
Das japansiche Umami  旨味 bedeutet gleichsam Perfektion und fünfter Geschmackssinn. Dieser fünfte Geschmackssinn ist jenseits der vier Geschmacksrichtungen von süß, sauer, salzig und bitter. Mit ihm können besonders proteinreiche Nahrungsmittel erschmeckt werden. Katzen zun Beispiel sind große Umami-Gourmets. Sie schmecken Süßes nicht heraus, können aber sehr gut zwischen salzig, bitter, sauer und Umami unterscheiden.

10) Weltschmerz
Was für ein prägnantes Wort, das die die tiefe Traurigkeit über die Unzulänglichkeit der Welt (Wilhelm und Jacob Grimm) beschreibt. Ursprünglich von Jean Paul begründet, ging der Weltschmerz in den Wortschatz der deustschen Romantiker ein.